Liebe NachbarInnen, liebe Anwohner, liebe Kiezbewohner,

die Gerüchte der vergangenen Wochen, dass sich ein Verkauf des Zentrum Kreuzberg anbahnt, haben sich bestätigt.

Am vergangenen Donnerstag haben wir die Information erhalten, dass sich in einem Bieterverfahren die Juwelus Investitions- und Beteiligungs GmbH & Co KG als Vertreter eines internationalen Großinvestors durchgesetzt hat. Die Gewobag, als städtische Berliner Wohnungsbaugesellschaft, wurde leider überboten. Das ist ein ziemlicher Mist.

Aber der Kaufvertrag ist bislang noch nicht unterschrieben und wir haben in den nächsten Wochen Zeit, deutlich zu zeigen, dass wir das auch nicht wollen!

Investoren, die nicht wissen, wohin mit ihren Millionen, suchen nach geeigneten Objekten und wollen mit dem Beton in dem wir wohnen noch mehr Profit machen.
Viele andere in Berlin, in Kreuzberg und hier in SO36 kämpfen ebenso wie wir damit.

Und nicht zuletzt aufgrund des enormen Anstiegs der Miet- und Immobilienpreise verwandelt sich selbst das Zentrum Kreuzberg zu einem Spekulationsobjekt. Das hat Ironie, wenn man bedenkt, dass in den 90er Jahren die CDU das Gebäude noch abreißen lassen wollte.

Menschen aus über 30 Nationen leben und arbeiten in diesem Komplex. Es gibt ca. 300 Wohneinheiten und 90 Geschäftseinheiten.
Das Zentrum Kreuzberg ist ein Relikt von Plänen aus den 60er Jahren, in denen Berlin zu einer autogerechten Stadt umgebaut werden sollte. Das NKZ wurde Anfang der 70er Jahre durch etwa 500 private Investoren errichtet, die von den speziellen Steuerabschreibungen im Berliner Sozialen Wohnungsbau

profitierten. Sie scheinen jedoch weniger Interesse daran gehabt zu haben, dass das Gebäude ökonomisch und sozial auch funktioniert. Es gab erheblichen Leerstand bei den Gewerbeeinheiten und eine schlechte Instandhaltung. Immer wieder flossen zusätzliche Kredite der öffentlichen Hand in das Gebäude – für die bauliche Infrastruktur und um durch Umschuldungen einen Konkurs abzuwenden.

Durch gemeinsame Anstrengungen der verschiedensten BewohnerInnen und Anwohner, der Kremer Hausverwaltung, der Stadt und der Geschäftsleute ist es in den vergangenen Jahren mit viel Engagement gelungen, die Situation zu verbessern.
Die Stundung der Aufwandsdarlehen durch die öffentliche Hand ermöglichte außerdem endlich, dass wichtige Instandhaltungsmaßnahmen angegangen werden konnten.
Trotz aller gegensätzlicher Interessen und Positionen, hat sich zwischen den Akteuren am und um das Zentrum Kreuzberg, bzw. den Kotti mit den Jahren ein guter Umgang entwickelt – auf der Grundlage, gemeinsam eine lebendige urbane Situation zu ermöglichen, in der Alle ihren Platz finden können und niemand durch die Aufwertung des Kiezes vertrieben wird.

Wir begrüßen Veränderung und Entwicklung, möchten aber auch die gewachsene urbane Gewerbestruktur mit ihrem Mix aus Gastronomie, Bars, Geschäften des täglichen Bedarfs wie Buchläden, Schuster, Bäcker, Metzgerei und Mietern aus den Bereichen Kultur, Bildung und kreatives Engagement wie Bürogemeinschaften, Theater und Ateliers erhalten.

Wir verlangen Unterstützung vom Senat nicht nur in einer verantwortungsvollen Wohnungsmarktpolitik, sondern auch in den Bemühungen aus Stadtentwicklungssicht, Antworten und Lösungsansätze zu den Problemen an diesem Ort zu entwickeln, die unseren Kiez schon länger belasten, wie das längst überfällige Wasch- und Toilettenhaus.

Wir freuen uns, dass der neu gewählte Berliner Senat seinen Willen bekundet hat, das Gebäude zu kommunalisieren und in eine Eigentumsform zu überführen, die gemeinnützig ist und die soziale Bindung des Wohnraums auf Dauer gewährleistet.
Jetzt geht es darum dies gemeinsam gegen die Macht privater Investoren durchzusetzen.

Der Widerstand gegen den Bau des Neuen Kreuzberger Zentrums war ein Initialzünder für die Berliner Hausbesetzer-Bewegung der 70’er Jahre. Heute ist das NKZ trotz aller Schwierigkeiten, die ein großer U-Bahnhof wie das Kottbusser Tor eben auch bedeutet, ein Ort des nachbarschaftlichen Miteinanders und ein Anti-Gentrifizierungsblock gegen Aufwertung und Verdrängung. Und leistbares Wohnen und Arbeiten im NKZ ist eine Voraussetzung für ein Kreuzberg für Alle.

Die Rede des Mieterrats wurde gehalten am 1. April 2017 vor dem NKZ bei der ersten öffentlichen Protestkundgebung, zu der der Mieterrat eingeladen hatte.

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